Religionslehrer Bernhard Meffert predigte am Einschulungstag 2020 über das Kamel, das zwar nicht durch ein Nadelöhr geht, aber dennoch viele gute Eigenschaften besitzt. Hier seine Predigt zum Nachlesen…
“Wer von Euch hat heute von seinen Eltern oder Großeltern irgendetwas vom „Eintritt in den Ernst des Lebens“ gesagt bekommen? Vielleicht, hoffentlich mit einem Augenzwinkern? Nein, ich möchte Euren Eltern auf gar keinen Fall widersprechen. Natürlich sollt Ihr Euch anstrengen und die Schule ernst nehmen. Aber Ihr sollt auch häufig und gerne lachen und Spaß haben. Beides hat seine Zeit.
Herr Papzien hat eben das Evangelium (Mt 19, 16-26) vorgelesen und das möchte ich mit Euch besprechen, weil es mehr Mut macht, als man beim ersten Hören vielleicht denkt. In der Geschichte gibt es ja viel Erschrecken und vielleicht hat auch der eine oder andere Erwachsene beim Hören des Textes wieder ein ungutes Gefühl bekommen. Vielleicht kann ein zweiter Blick auf den Text ja helfen…
Da kommt also ein Mann zu Jesus und fragt: Meister, was muss ich Gutes tun? Jesus antwortet: Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist der Gute. Wenn du aber in das Leben eintreten willst, halte die Gebote!
Achtet mal auf die Wortwahl, Ihr großen und jüngeren Zuhörer: Er sagt nicht, man muss das Gute tun, damit man in den Himmel kommt. Er vertröstet nicht auf ein Jenseits. Sondern er sagt, dass man, wenn man sich an die guten Regeln hält, in das Leben erst eintritt. Ein Leben in Fülle, so nennt er es an anderer Stelle im Johannes-Evangelium. Wer sich an die guten Regeln hält, dem geht es gut. Heute schon.
Das ist dem jungen Mann aber nicht genug, vielleicht ist er Jurist und will also die genauen Regeln kennen. Und Jesus antwortet, vielleicht sogar etwas genervt, mit den allen im Judentum selbstverständlichen Regeln.
Und ich glaube, er ist noch ein wenig genervter, als der junge Mann feststellt, dass er sich immer an alle Regeln gehalten hat. Ganz ehrlich, wer von uns – auch besonders von uns Erwachsenen – könnte das behaupten, ohne rot zu werden. Ich zumindest ganz sicher nicht.
Aber Jesus lässt den junge Mann nicht im Zustand der Selbstgerechtigkeit. Er fordert ihn heraus. „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib ihn den Armen; und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.“
Interessant: Für ihn war es einfacher, sich an alle Regeln zu halten, als auf seinen Besitz zu verzichten. Er hängt daran. Und das macht ihn traurig.
Kennt Ihr das nicht auch? Irgendein Spielzeug geht kaputt und Ihr seid traurig. Obwohl es nur ein Ding aus Plastik oder Holz oder sogar aus Computerchips ist: Man hängt sein Herz an die Dinge. Geht mir auch so. Man merkt erst, wie unwesentlich Dinge sind, wenn man Menschen wenigstens vermisst oder sogar verliert. Als Ihr in der Corona-Zeit nicht zu Euren Freunden durftet, da hattet Ihr nach wie vor alle Spielsachen und vielleicht haben Euch Eure Eltern sogar noch ein bisschen mehr verwöhnt, weil sie Mitleid mit Euch hatten.
Hat Euch das über die Traurigkeit hinweggeholfen, nicht bei Euren Freunden, in Eurer Grundschulklasse zu sein?
Ganz sicher nicht. Wer sein Herz an Dinge hängt, ist von Dingen abhängig. Der junge Mann ist traurig, weil er sich abhängig gemacht hat von den Dingen.
Und jetzt dreht Jesus erst so richtig auf. Und ich habe Euch hier mal die beiden Dinge mitgebracht, über die er jetzt spricht. Das Kamel, das ab sofort Euer Klassentier sein wird, und eine Nähnadel. Ich habe bewusst eine sehr große genommen, damit Ihr sie vielleicht überhaupt ein bisschen sehen könnt. Jesus sagt, dass kein Reicher in den Himmel kommt, es sei denn, ein Kamel ginge durch ein Nadelöhr. Schaut selbst, das ist unmöglich. (macht den Versuch vor)
Und die Jünger kriegen einen gewaltigen Schreck. Denn so richtig arm sind sie ja nicht, sie haben zu essen und zu trinken. Manche besitzen ein Fischerboot oder haben einen kleinen Handwerksbetrieb. Sie machen sich jetzt richtig Sorgen um sich selbst. Haben wir dann noch eine Chance auf das Glück, hier und im Himmel?
Und Jesus stellt klar: Nicht aus eigener Kraft kann man ein guter Mensch sein, dazu gehört viel mehr. Ein reicher junger Mann kann leicht Gebote halten, ein armer Mensch in großer Not muss ggf. Unrecht tun, um zu überleben. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Kardinal Frings im Winter 1946 den frierenden und hungernden Kölnern in einer Predigt gesagt: „„Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.“ Noch einmal: Der Reiche hat es leicht, die Regeln zu halten. Reicht das aber, um wirklich gut zu sein? Und ist der Arme schon deshalb schlecht, weil er in der Not Regeln brechen muss? In diesem Licht, so möchte ich es den Erwachsenen sagen, müsste manche Kriminalitätsstatistik neu ausgewertet werden.
Und wir in Europa, sind wir nicht alle reich, wenn wir uns mit Afrika vergleichen? Und haben wir also dann keine Chance, ein gerechtes Leben zu führen?
Doch, denn das sagt Jesus am Ende der Geschichte ja beruhigend für die Jünger: Sie, die Jünger mögen den Himmel nicht erzwingen können, in dem sie es doch schaffen, ein Kamel durch ein Nadelöhr zu bugsieren. Aber Gott schafft das. Weil er uns so mag, wie wir sind. Mit unseren Fehlern. Wir müssen also nicht perfekt sein, um Hoffnung haben zu dürfen. Und wir dürfen auch den schönen Urlaub und das sichere Zuhause genießen ohne schlechtes Gewissen.
Wir dürfen uns aber nicht abhängig machen von den Dingen, sondern erreichbar für den Nächsten. Denn nur wenn wir den so wichtig nehmen wie uns selbst, dann können wir glücklich werden. Weil wir dann ins Leben eintreten.
Für Euch am Anfang Eurer Schulzeit heißt das: Klar wollen wir Lehrer, dass Ihr Euch an Regeln haltet. Aber das reicht uns nicht. Wir möchten, dass Ihr füreinander da seid, vor allem auch dann, wenn jemand wegen was auch immer Schwierigkeiten bekommt. Das ist die Idee unseres guten Gottes: Wer mit sich selbst im Reinen ist, kann für andere dasein. Wer weiß, dass Gott sogar Kamele durchs Nadelöhr bringt, kann entspannt auch mit seinen Fehlern umgehen. Eine gute Nachricht, ein Evangelium für Sie und Euch und mich an diesem Tag, finde ich zumindest.”