Was wir von den Gänsen lernen können
Liebe Lernerinnen und Lerner, liebe Lehrerinnen und Lehrer, lieber Eltern und Großeltern, keine Sorge, ich werde Euch nicht mit Gänsen vergleichen. Aber eins ist auch klar: Gänse sind ein verflixt gutes Team, oder?
Was haben sie intuitiv verstanden, was uns manchmal nicht in den Kopf will?
Wenn Gänse in V-Formation fliegen und dabei zusammenarbeiten, sparen sie Energie und erhöhen ihre Reichweite: 71% weiter können sie fliegen, als wenn sie als einzelne Tiere fliegen würden.
Das gilt doch auch für uns, oder? Im Team sparen wir nicht nur Energie, wir fliegen auch weiter denn je zuvor. Wann immer Ihr in der Klassengemeinschaft oder wir als Schulfamilie zusammenhalten, schaffen wir einfach mehr.
Diejenigen Gänse, die vorne in der Formation fliegen, brauchen natürlich die meiste Energie. Das führt dazu, dass sie müde werden. Gänse haben das verstanden und tauschen dann ihre Rollen. So wird aus der Führungsgans eine, die sich im Team erholen kann, und eine aus dem Team übernimmt die Führung.
Was heißt das für uns? Jeder von uns kann und soll Verantwortung übernehmen. Nun muss aus einem Fünftklässler kein Klassenlehrer werden müssen oder können, aber dennoch kann und soll jeder und jede von Euch in Eurem täglichen Lernen Verantwortung übernehmen. Und dabei erfahren, dass das Freude macht, aber eben auch anstrengend sein kann. Vielleicht stärkt das ja auch Euer Verständnis für die Aufgabe Eurer Lehrer…
Und noch etwas: Auch wenn die Gänse hinten im Team fliegen, haben sie Mitverantwortung für den Erfolg der Reise. Und wenn man Gänse am Himmel rufen hört: Das sind diejenigen Gänse, die hinten fliegen. Sie haben die Kraft und die Aufgabe, die Führungsgans anzufeuern, die Geschwindigkeit zu halten, damit das Ziel des Tages erreicht werden kann.
Ihr wisst, wie leicht es ist, jemanden zu kritisieren, der Führungsverantwortung übernommen hat. Wir Erwachsenen sind zum Beispiel immer schnell dabei, die für uns verantwortlichen Politiker zu kritisieren. Für uns alle wäre es manchmal gut, diejenigen, die für uns die Verantwortung tragen, anzufeuern und zu ermutigen, nicht nachzulassen, damit die Reise gelingt.
Und wenn einer von uns einfach mal nicht mehr kann? Wie gehen die Gänse in solchem Fall vor? Niemals lassen sie eine Gans allein. Zwei bleiben mit ihr zurück, bis sie weiterfliegen kann. Sie gehen damit ein erhebliches Risiko ein, denn zu Dritt wird es sehr schwer sein, die weite Reise durchzustehen.
Wir sollten uns fragen, ob wir im Alltag genauso handeln. Wenn einer von uns in Schwierigkeiten gerät, bleiben wir dann bei ihm oder lassen ihn im Stich? Tun wir alles in unserer Macht Stehende, damit es ihm oder ihr besser geht? Sind wir bereit, auf das eigene Fortkommen zu verzichten, damit niemand verloren geht?
Das ist sicher viel verlangt – ich weiß. Und ich würde auch nicht behaupten, dass ich selbst das jeden Tag schaffe. Aber immer, wenn unsere Schulfamilie als Team handelt, sind wir beinah unschlagbar. Jeder Erfolg des Einzelnen ist dabei auch dem Team geschuldet. Kein Fünftklässler könnte auf unserer Schule sein, wenn es nicht vor ihm LehrerInnen und LernerInnen gegeben hätte, die den Weg gebahnt hätten für ihn. Und selbst diejenigen, die im Sommer 2019 das erste Abitur am RC abgelegt haben: Auch sie hätten nicht losfliegen können, wenn es nicht ein paar Menschen gegeben hätte, die vorher Verantwortung übernahmen und diese Schule gründeten. Auch als noch junge Schule sollten wir nie vergessen, dass wir unsere Existenz Menschen verdanken, die losgeflogen sind mit einem kleinen Team, auf einer noch unbekannten Route und bei reichlich Gegenwind.
Aber selbst diese Menschen haben ihre Kraft und ihren Mut nicht nur aus sich selbst gewonnen. Wir Christen glauben, dass wir stärker sind, wenn wir uns zu glauben trauen, dass wir im Himmel einen Vater haben, der für uns den wichtigsten Weg schon gebahnt hat und uns Rückenwind gibt.
Und der sich dann nicht zu schade war, seinen Sohn in unser Team zu senden, als es uns dreckig ging. Der die Führungsaufgabe übernahm, als wir nicht mehr wussten, wohin wir fliegen sollen. Als die junge Christengemeinde das gelernt hatte, ging Jesus wieder zurück zu seinem Vater, weil er wusste, dass wir das Fliegen jetzt auch ohne ihn bewältigen können. Dennoch tut es gut, ihn in diesen Tagen wieder als einen von uns in der Krippe liegen zu sehen und uns zu erinnern, welche Richtung er uns vorgegeben hat. Schon in den Umständen seiner Geburt zeigt sich das Besondere seiner Führungsarbeit. GEMEINSAM statt allein! so hat die 6b unseren GottesDienst überschrieben. Gemeinsam statt allein! Nur so kann unsere Schulfamilie funktionieren. Und deshalb ist genau das sogar bei den Gänsen Erfolgsrezept!
Bernhard Meffert, Predigt im Adventsgottesdienst am 19.12.2019 in St. Laurentius, Dernbach