Weihnachten 2020

Wie haben wir uns in den letzten Jahren in das Weihnachtsfest hineingekuschelt. Wir haben es uns gemütlich gemacht. Alles war, oder sollte zumindest sein, gut. Unsere Religiosität war vielleicht nur der Zimt auf den Plätzchen, denn wir waren zufrieden. Die Sorge galt den Geschenken, vielleicht manchmal sogar mehr als den Beschenkten.

In diesem Jahr ist vieles anders. Wir sind – und dürfen es erst einmal sein – natürlich unzufrieden mit der Situation. Corona hat uns in so vielen Hinsichten einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch hier am Raiffeisen-Campus fiel vieles, das uns eben auch ausmacht, aus. Der Weihnachtszauber der Lernervertretung, aber auch der Kulturtag von Frau Ingenhoven, mit dem wir doch immer so festlich gestimmt in die Ferien gestartet sind. Letztes Jahr das großartige Big-Band-Konzert mit Jeff Cascaro im wunderschönen Kursaal in Bad Ems (Jeff Cascaro hat heute ein vergleichbares Konzert mit der HR-Big Band gegeben). Und während ich diese Zeilen schreibe, verfalle ich in die Stimmung, die viele von Ihnen sicher gut nachvollziehen können. Es ist so ein Seufzen in uns allen. Ich kann gerade auch nicht anders.

Und daran werden in diesem Jahr die sicher dennoch reichlich vorhandenen Plätzchen und der Weihnachtsbraten vielleicht wenig ändern können. Zumindest steht das zu befürchten. Ich will es aber partout nicht akzeptieren und  traue mich deshalb, einen Vorschlag zu machen, damit für uns alle wirklich Weihnachten werden kann. Ein Fest der Freude.

Schauen wir uns doch gemeinsam das Weihnachtsevangelium an, das dem Fest die Grundlage gibt. Und selbst wenn Sie die religiöse Interpretation nicht teilen, könnte in der Intension dieser Geschichte (denn es ist ganz sicher kein minutiöser Tatsachenbericht) eine tröstliche Botschaft stecken.

Der Evangelist Lukas hat diese Geschichte komponiert. Und sie beginnt mit einer Verwunderung, vielleicht sogar Verwirrung einer jungen Verlobten. „Der Engel trat bei Maria ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.“ Da ändert sich ein junges Leben schlagartig von jetzt auf gleich. Und auch wenn die Anrede des Engels sehr positiv und wertschätzend ist, es fällt Maria nicht leicht, mit dieser Veränderung umzugehen. Und genau das können wir derzeit doch besonders gut nachvollziehen.

Wir wünschen uns derzeit so sehr die Rückkehr zum alten Zustand, fast so als ob dieser perfekt gewesen wäre – und sind so in unserer eigenen Nostalgie gefangen. Denn wenn wir tatsächlich nach Corona in eine Realität zurückkehren, dann wird dies ja keine nostalgisch verklärte und erinnerte, vergangene Realität sein, sondern eine alltägliche, eine gelebte, gegenwärtige Realität. Und es wird auch einfach nicht ausreichen, so weiterzumachen wie vorher. Das hat es nach Krisen noch nie. Wir sollten der Veränderung jetzt und in Zukunft mit einer optimistischen Grundhaltung begegnen, sie aber nicht mit Erwartungen einengen und überfrachten. Nicht nur, aber auch unseren Kindern zuliebe.

Maria macht das so: Obwohl ihr unzählige Fragen in den Kopf kommen und der Engel eher kryptische Antworten gibt, bleibt sie gläubige Optimistin und fasst das so zusammen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Wohl gemerkt – hier steht ihr Leben auf dem Spiel. Wenn der Engel Recht hat, läuft sie Gefahr, gesteinigt zu werden, denn das war die damals übliche und akzeptierte Strafe für (vermeintliche) Ehebrecherinnen.

Und es geht noch weiter: Sie akzeptiert nicht nur eine ungewollte Schwangerschaft, sie schafft es, daraus Freude zu schöpfen und sich gesegnet zu fühlen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“ Ihr Magnificat ist das Gegenteil meines Seufzens. Maria zeigt uns, zeigt mir, wie man den Spieß umkehren kann, wie man aus Leid Freude machen kann, indem man ihm statt mit Widerstand mit konstruktiver Akzeptanz begegnet.

Leichter gesagt als getan? Sicher und geht mir auch selbst so. Aber es hilft in diesen Tagen, so sagen es namhafte Psychologen, sich schon beim Aufstehen am Morgen bewusst zu machen, was der Tag Gutes für einen bereit hält. Ein warmes Bett, aus dem man aufstehen konnte, eine heiße Dusche, das Frühstück. Die Aufgabe am Arbeitsplatz und in der Familie. Ob man deshalb direkt ein Magnificat anstimmen sollte hängt sicher vom eigenen Gesangstalent und auch der morgendlichen Grundstimmung ab.

Aber wir sollten aufhören, Corona zum Maßstab unserer Laune zu machen. Denn auch wenn der Kulturtag ausgefallen ist: Die Erinnerung an den letzten darf auch froh machen. Wir stehen nicht im Krieg, haben hier in Deutschland nicht mit Hunger zu kämpfen. Wir sollten die Kirche also im Dorf lassen und ruhig auch hineingehen. Um zu sehen, wie Maria und Josef selig ihr Baby anlächeln. In einem schäbigen Stall, denn es gab zwar kein Beherbungsverbot, aber trotzdem schlicht keinen Platz für die junge Familie. Und in diesem Stall keine Plätzchen und keinen Weihnachtsbraten. Und Maria und Josef lächeln dennoch glücklich, weil sie Eltern geworden sind und dieses Glück kaum fassen können.

Für Maria gab es so wenig ein Zurück in ihr altes Leben wie es das für uns geben dürfte. Und das ist kein Nachteil. Denn auch wenn Maria noch viel Schmerzliches in ihrem Leben verarbeiten muss, sie wird einer der wesentlichen Faktoren für die junge Christengemeinde und hat so ihre Aufgabe gefunden. Eine Aufgabe, die vor dem Engel undenkbar war.

Schauen wir uns heute doch mal mit unseren Kindern die Babybilder an. Ob wir die Geburt unserer Kinder nicht einfach mal wieder als Grund nehmen, zu lächeln. Und wenn wir an Christus glauben, fest darauf vertrauen, dass an Weihnachten in dem Kind in der Krippe ein Segen liegt, den wir nur an uns heranlassen müssen.

Ich wünsche Ihnen allen von Herzen ein frohes, ja fröhliches Weihnachtsfest und ein gutes, gesundes 2021!

Ihr Bernhard Meffert, Religionslehrer am Raiffeisen-Campus