Friedliche Weihnachten!?

Friedvolles Weihnachten, fröhlich oder froh soll es sein, „Merry“, gesegnet.

So viele Wünsche, die auch wir in der Schulfamilie in diesen Tagen vor den Ferien einander gesagt oder geschrieben haben. Aber war da nicht so ein mulmiges Gefühl? Der Wecker politischer Korrektheit, der in unseren Köpfen klingelte, wenn wir einander „Fröhliche Weihnachten“ wünschten? Darf man das, wenn zweieinhalb Flugstunden entfernt Menschen in der Ukraine an Weihnachten im Dunkeln sitzen und frieren, in ständiger Angst vor dem nächsten Raketenangriff?

Ist es derzeit nicht schlicht deplatziert, wenn wir einander in unfriedlichen Zeiten „Friedvolle Weihnachten“ wünschen? Darf man da überhaupt Weihnachten feiern?

Jetzt könnte man entgegnen, dass es schon immer Krieg gab an Weihnachten. In jedem einzelnen Jahr, seitdem Jesus geboren wurde. Die Omnipräsenz des Unfriedens in der Geschichte wäre ein zynisches Argument, im sicheren Deutschland einfach trotzdem Party machen zu dürfen.

War das erste Weihnachten friedvoll? Anlass einer großen Feier?

Mitnichten! Als Jesus während der beschwerlichen Reise zu einer Volkszählung in ärmlichen Verhältnissen völlig unromantisch zur Welt kommt, unter Schmerzen und ganz sicher ohne jede medizinische Betreuung von seiner Mutter geboren und von seinem Papa Josef umsorgt, da herrscht auch Unfrieden auf der Welt. Nicht nur politisch – Israel ist von den Römern besetzt -, sondern auch religiös. Zahlreiche Mahner kritisieren die angepasste Religion, die mit den römischen Besatzern kooperiert.

Der Jude Jesus von Nazareth wird in diese Welt geboren und die biblischen Autoren drücken ihren Respekt und ihre Bewunderung in herrlichen Bildern aus, die unser kindliches Empfinden von Weihnachten so sehr geprägt haben. Aber ist die Weihnachtsbotschaft der Engel eigentlich wirklich positiv? Der Gruß der Engel, der den Hirten verkündet, dass sie den Menschen „Friede auf Erden“ wünschen? Wenn der Wunsch auch aus Sicht derer, die die Texte (viel später) verfasst haben, relevant war, ist das nicht auch ein Hinweis auf den Zustand der Welt, damals übrigens genauso wie heute? Aus der vermeintlichen Friedseligkeit der Szenerie auf dem Feld wird die Friedensmahnung, aber auch die Friedenshoffnung. Ja, Weihnachten ist eine sehr ernste Mahnung, aber eben auch eine Hoffnung, weil es die Erinnerung daran wach hält, dass Gott die Welt gut geschaffen hat.

Diese Welt hat fraglos das Potenzial zum Guten. Sie kann der Himmel auf Erden sein.

Wenn Jesus Gott später seinen „Papa“ nennt (das dt. Wort Vater ist keine gute Übersetzung für seine Sprechweise), dann erkennt er seinen Auftrag als Mahner in unfriedlicher Zeit, der aber auch die Hoffnung des Reiches Gottes auf Erden verkündet. Jesus ist – das verstehen sogar viele seiner Follower tragisch falsch – kein politischer Mahner, kein Protestierer gegen die Besatzung.

Jesus Botschaft des Friedens und die darin enthaltene Hoffnung ist eine innerliche, eine spirituelle. Fangt bei Euch selbst an, ruft er uns zu. Kehrt um, werdet erst selbst einmal friedlich, bevor Ihr Frieden von anderen fordert. Die simple Erkenntnis, dass man die Welt nur verändern kann, wenn man bei sich selbst anfängt, diese gar nicht leicht zu verdauende Botschaft ist die von Weihnachten. Wenn man wie Jesus ganz der Vater, also ein Kind Gottes sein will, dann muss man Gottes Beispiel folgen und seinen Kriegsbogen in die Wolken legen und ihn so zum Friedenszeichen machen.

Dürfen wir also doch friedvoll 2022 Weihnachten feiern?

Wir dürfen das nicht nur, wir sollten das. Und bitte nicht nur der Kinder wegen. Wir selbst haben das genauso nötig. Das dürfen wir auch zugeben.

Nicht auf das friedliche Feiern also sollten wir verzichten, vielleicht aber dennoch etwas abgeben von unserem Konsum für diejenigen, die nicht nur an Weihnachten „hungern und dürsten nach Gerechtigkeit“, aber vielleicht  – noch schlimmer – einfach nur hungern und dürsten. Und frieren. Nicht nur, aber auch in der Ukraine. In der ganzen Welt und sogar auch hier in Deutschland.

Wenn wir so feiern und handeln, können wir Frieden stiften. Zu allererst in uns selbst, dann in unseren Familien, in unserer Straße, in unserem Dorf oder unserer Stadt, in unserem Land, in Europa und in der Welt.

Und dann kehrt mit dem Kind und der Krippe in unseren Wohnzimmern hoffentlich friedvolle Weihnachten ein und wir schöpfen wieder Hoffnung, dass aus dem eindringlichen Wunsch der Engel an uns Realität wird: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“. Vielleicht nur für ein paar Stunden. Aber das ist der Anfang, den die Welt braucht und den jeder von uns leisten könnte.

Feiern Sie friedvolle Weihnachten, wünscht Ihnen, mit herzlichen Grüßen,

Ihr Bernhard Meffert

Religionslehrer am Raiffeisen-Campus