Ein moderner Taugenichts

„Aus dem Leben eines Taugenichts“ ist der Titel einer Novelle von Joseph Freiherr von Eichendorff, die im Jahr 1826 veröffentlicht wurde. In dieser Erzählung setzt ein Müller seinen Sohn vor die Tür, da dieser in seinen Augen ein „Taugenichts“ ist und stets in den Tag hineinlebt. Bepackt mit einer Geige und einigen Groschen zieht dieser schließlich in die Welt hinaus, um dort sein Glück zu machen. So der Anfang der Erzählung von damals. Doch wie könnte sich eine solche Situation in der heutigen Zeit abspielen? Der Deutsch-LK der MSS 2 von Frau Christmann ist dieser Frage nachgegangen und hat eine Modernisierung des damaligen Erzählanfangs verfasst. Lesen Sie selbst:

Ich höre den Motor des Ford Rangers meines Vaters vorfahren, während ich noch entspannt auf der Couch liege und den warmen Sonnenschein vermeide, um weiterschlafen zu können. Der Hausschlüssel klappert im Schloss und schon schwingt die Tür auf. Als mein Vater mich entdeckte, schüttelte er mich und sprach zu mir: ,, Junge, Junge, wach auf. Ich habe genug davon, dass du Tag für Tag nur zu Hause rumhängst und nichts tust außer Schlafen und Videospiele spielen. Es ist Zeit, dass du dich aufraffst und endlich dein Leben anfängst, du bist 24 und hast noch keinen Job gehabt. Du bist ein wahrer Taugenichts!‘‘

Noch ganz perplex von dem plötzlichen Erwachen drehte ich mich einfach um und sagte meinem Vater, er solle mich doch bitte schlafen lassen, da es erst 12 Uhr sei. Dies schien ihn jedoch noch mehr in Rage zu versetzen, da ich mich keine 10 Minuten später mit einem Rucksack voller Klamotten, meinem Handy und 100€ in bar am Bahnhof wiederfand. Die letzten Worte meines Vaters, bevor er losfuhr, um mich meinem Schicksal zu überlassen, waren: ,,Sieh zu, dass du einen Job findest und ruf mich nicht an. Von mir kriegst du kein Geld mehr.‘‘

So ging ich also hoch zum Bahnsteig und wartete auf einen Zug, welcher mich aus diesem Dorf herausbefördern sollte. Dass mein Vater mich rausgeworfen hat, kam mir sogar recht entgegen. Ich habe vor Kurzem die Geschichte eines Streamers gelesen, welcher ebenfalls rausgeworfen worden war und nichts hatte außer einer Kamera und einigen Wechselklamotten. Dieser Streamer ist jetzt Millionär und wohnt in Beverly Hills. Nachdem ich dies gesehen hatte, fühlte ich mich motiviert auch rauszugehen und mein eigenes Geld zu verdienen, doch leider wurde ich verhindert, da die neue Fortnite Season rauskam und ich keine Zeit hatte, meine Goldene Karriere als Streamer zu starten. Doch nun, wo ich vogelfrei war und meine eigene Reise starten konnte, war ich zuversichtlich und ging voller Hoffnung in die Zukunft. Also stieg ich in den Zug ein, ging in das Abteil 7, da dies die Glückszahl ist, setzte mich in einen freien Sitz und legte meinen Rucksack mit all meinen weltlichen Besitztümern neben mich auf den Sitz. Natürlich hatte ich keine Fahrkarte, da ich auf Fortuna vertraute und somit keine benötigte. Schon bald fielen mir die Augen zu und ich entglitt in einen erholsamen Schlaf auf dem Weg zu dem Ort, wo die Möglichkeiten keine Grenzen haben… Frankfurt. 

Beni K.

Mein Vater renovierte in einer Lautstärke das Haus, dass selbst die Vögel im Gartenbaum leise wirkten und obwohl ich Musik hörte, war das Geräusch des schmelzenden Schnees vor meinem Fenster trotzdem zuhören. Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen und sah nach draußen. Die Sonne schien durch meine Fenster und hüllte mein Zimmer in ein goldenes Licht. Ich stand auf, streckte mich, griff nach dem Rollladengurt und ließ den Rollladen runter. In dem Moment spürte ich Schritte auf mein Zimmer zukommen, die Tür wurde aufgerissen und knallte gegen die Wand. Mein Vater stand in der Tür. Mit rot angelaufenem Kopf guckte er erst zu mir und dann zu meinen Lautsprecherboxen.

„Wenn du dir schon zu fein bist mir zu helfen, dann mach wenigstens diese verdammte Musik aus! Ein bisschen helfen würde dich nicht umbringen, mal ganz abgesehen davon, dass du seit 3 Monaten aus der Schule bist und nicht mal ansatzweise angefangen hast zu arbeiten. Das Leben ist schon schwer genug, da brauche ich nicht noch einen Sohn wie dich, der nur im Bett liegt und nichts macht. Ich kann das alles nicht mehr. Wenn du der Meinung bist, mit dieser Einstellung durch Leben zu kommen, dann tu das. Geh mir aus den Augen… oder nein, noch besser: Verschwinde aus meinem Haus und komm erst wieder, wenn du was in deinem Leben erreichst hast!“ 

Ich schaute meinen Vater für einen Moment ausdruckslos an. „Na gut, dann geh ich.“ Mein Vater verließ schreiend mein Zimmer und ließ die Tür hinter sich zukrachen. Ich packte unbekümmert ein paar Klamotten, Geld und meine Musikbox zusammen und verließ das Haus durch die Hintertür.

Auf dem Weg zur nächsten Haltestelle sah ich ein paar Freunde und verabschiedete mich von ihnen mit den Worten, sie bei den Oscars wiederzusehen. Um meine gewonnene Freiheit zu feiern, ließ ich etwas Musik über meine Boxen laufen, während ich zum Bus lief. 

Hanna M.

Langsam wachte ich auf, geweckt von dem Geräusch eines Lieferwagens, der wahrscheinlich neue Ware für meinen Vater brachte. Man merkte an den E-Rollern, die vor meinem Fenster vorbei brausten, dass der Winter vorbei war. Ich stand auf, um mir eine Dose Red Bull aus dem kleinen Laden meines Vaters zu holen.

Als ich das Kühlregal aufmachte und mir eine Dose nahm, sagte mein Vater: „Auch mal wach?“ Er trug einen Karton und sprach weiter: „Du weißt, dass ich Montag morgens die Lieferung kriege, und wie immer hast du deinen alten Vater alles alleine auspacken und einräumen lassen. So kann das nicht weitergehen. Vor einem halben Jahr hast du deinen Realschulabschluss gemacht, es wird Zeit, dass du anfängst zu arbeiten. Hier kannst du nicht mehr bleiben. Bei der Inflation kann ich es mir nicht mehr leisten dich durchzufüttern.“

„Mich durchzufüttern? Ich helfe viel. Außerdem ist es nicht meine Schuld, dass die Preise steigen.“

„Du tust nichts, du Taugenichts. Ich will dich hier nicht mehr sehen.“

„Wenn du meinst, dass ich ein Taugenichts bin, dann gehe ich halt. Ich brauche dich nicht.“

Also ging ich in mein Zimmer, holte mein Handy und ein paar Sachen. Als ich das Haus verlassen wollte, drückte  mir mein Vater noch fünfzig Euro in die Hand, und ich machte mich auf den Weg zum Bahnhof.

Janne G.

Quelle des Beitragsbildes: Pixabay, 11994227 aufgerufen über: https://pixabay.com/photos/faultier-zoo-zoom-face-animal-4120904/ [Stand: 13.03.23]