Frauenrechte in Ungarn und Schweden (II)

Rede aus der Sicht einer skandinavischen Politikerin

Wie in einem früheren Beitrag hier berichtet, beschäftigte sich der Sozialkunde-Erdkunde-Grundkurs der MSS3 mit verschiedenen Meinungen zum Thema Frauenrechte in Ungarn und Schweden. Nach intensiven Vorbereitungen traten die Lernerinnen und Lerner in der Rolle verschiedener Politiker und Politikerinnen im Parlament auf. Hier ein Beitrag aus Sicht einer skandinavischen Rednerin:

Guten Tag, liebe Zuhörer*innen,
Ich bin heute hier, um die Menschlichkeit zu vertreten. Hier, um zu zeigen, dass es nicht reicht, sich auf einem vermeintlich akzeptablen Ist-Zustand auszuruhen. Es geht dabei nicht um Kleinigkeiten oder das Suchen von Krümeln, sondern um einen Elefanten, der seit Ewigkeiten im Raum steht.
Frauen machen ziemlich genau 50% unserer Weltbevölkerung aus – einen nicht zu verachtenden Teil. Dennoch werden ihnen noch heute – in manchen Ländern schlimmer als in anderen – aufgrund ihres Geschlechts Wert und Rechte abgesprochen.
Weiblichen Geschlechts zu sein ist keine Schwäche. Es ist auch kein grundsätzlicher Nachteil oder eine belastende Einschränkung. Als Frau könnte man genauso an den Positionen stehen, wo zumeist Männer zu finden sind. Man könnte für dieselbe Arbeit gleich bezahlt werden, Thema Gender Pay Gap, und sollte eigentlich ohne Angst vor einer Kündigung oder Kürzung der Arbeitszeiten Mutter werden dürfen.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie es die Studie der Organisation Equal Measures 2030 festhält, leben ungefähr 80% der Mädchen und Frauen in Ländern, in welchen die Geschlechtergerechtigkeit mit einem schlechten bis sehr schlechten Score bewertet wurde. Im weltweiten Vergleich verdienen Frauen mit 63% nur etwas mehr als die Hälfte des Lohns der Männer. Dies ist auch jenem Umstand geschuldet, dass häufig noch ein besonders traditionelles Rollenbild vorherrscht. Die Erziehung der Kinder und deren Aufziehen bleiben nach der Geburt oft hauptsächlich Aufgabe der Mutter. Der Frau wird dabei nicht nur die Möglichkeit auf eine Karriere verbaut – wenn dies in jenem Land überhaupt denkbar ist – sondern auch ein wichtiges Gut geraubt – ihre Unabhängigkeit. Finanziell ist es als alleinerziehende Mutter besonders schwer, wenn Kinder und Arbeit gleichzeitig funktionieren müssen und man keine Unterstützung erhält.
Doch nicht nur in jenem Punkt liegt die Gleichberechtigung zurück. Auch im allgemeinen Umgang mit Frauen herrschen teils dramatische Zustände. Entmündigung und Gewalt, egal wie offensichtlich oder mancherorts vielleicht von den meisten nicht einmal wahrgenommen, prägen den Umgang. Straßenumfragen ergeben, dass sich selbst hier in doch eher fortschrittlichen Ländern nachts allein unwohl gefühlt werden muss, da Übergriffe keine Seltenheit darstellen. Das körperlich oft unterlegene Geschlecht ist Machtspielen und Demütigungen ausgesetzt, die sich vor allem Männer häufig nicht vorstellen können.
Gerade daher sind mir zwei Anliegen wichtig. Ich sehe den Schlüssel zur Frauenrechtsproblematik vor allem in der Bildung. Leute, die mit ihrer Umwelt, deren Wert und aktuellen Denkanstößen vertraut sind, achten auf ihre Mitmenschen und deren Bedürfnisse. Sie ignorieren Probleme nicht, sondern versuchen diese zu lösen. Dies würde forciert werden, fänden Frauen vermehrter Eingang in die Politik. Wir brauchen alle starken Stimmen einigermaßen ausgewogen, um durch jene Pluralität eine Zukunft zu gestalten, in der jeder ein Stück sicherer und gerechter leben kann, vor allem die, denen dies noch verwehrt wird. Da Bildung ein Privileg ist, muss daran gearbeitet werden, Länder, die darauf nicht ihren Fokus legen können, da sie mit anderen Krisen zu kämpfen haben, zu stabilisieren und auch hier für Unterstützung und Miteinbeziehung zu arbeiten.
Ich rede hier für mich, für mein Land und hoffentlich für die Mehrheit oder alle, wenn ich fordere, dieses Problem aktiv anzugehen. Jeden Tag gilt es aufs Neue genau hinzusehen, Missstände zu erkennen und diese gezielt anzugehen. Wir brauchen jeden – aus Solidarität mit den Vernachlässigten und wegen der Werte, welche uns als Gemeinschaft, die wir sind, ausmachen.
Zeigt Menschlichkeit!
(Anne Thierfelder)

Quelle des Beitragsbildes: Pixabay – Broesis, aufgerufen über: https://pixabay.com/de/photos/mikrofon-rede-vortrag-redner-2316268/ [Stand: 02.11.2020]