„Die Welt ist allezeit schön“

In kaum einem anderen literarischen Genre zeigen sich die Dichter so empfänglich für den Wechsel der Jahreszeiten wie in der Lyrik. Dabei widmen sich die meisten von ihnen einzelnen Jahreszeiten und heben die jeweils individuellen Besonderheiten schöpferisch hervor. Eine große Ausnahme bildet Barthold Heinrich Brockes, einer der bedeutendsten Lyriker der Frühaufklärung. In seinem Gedicht „Die Welt ist allezeit schön“, das sich vielfach als Klassiker deutschsprachiger Lyrik empfiehlt, lädt er den Leser zu einer außergewöhnlichen poetischen Reise durch die Jahreszeiten ein. Faszinierend ist hierbei nicht zuletzt die für die Aufklärung typische sprachliche Klarheit und Schlichtheit, in der jedoch tiefe, über den Alltag hinausgehende Gedanken formuliert und vermittelt werden…
Viel Freude beim Lesen!

Die Welt ist allezeit schön

Im Frühling prangt die schöne Welt
In einem fast Smaragden Schein.

Im Sommer gläntzt das reife Feld,
Und scheint dem Golde gleich zu seyn.

Im Herbste sieht man, als Opalen,
Der Bäume bunte Blätter strahlen.

Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Fluth und Land.

Ja kurtz, wenn wir die Welt aufmercksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön.

Barthold Heinrich Brockes (1680 – 1747)

Bildquelle: Rosel Eckstein / Pixelio.de